Die Waldorf- und Heilpädagogik

 

 

Das Kind
in Liebe aufnehmen
in Ehrfurcht erziehen
und in Freiheit entlassen 

Rudolf Steiner

 

Als erste Gesamtschule eigener Art hat die Waldorfschule seit Gründung im Jahre 1919 (in Stuttgart) eine Pädagogik der Förderung entwickelt anstelle des Prinzips der Auslese. Mit ihrem 12-jährigen Bildungsgang, den die Schüler und Schülerinnen ohne Sitzenbleiben durchlaufen, verwirklichen Waldorfschulen eine Pädagogik der Freiheit, die grundsätzlich in Frage stellt, ob verordnete Inhalte und Arbeitsformen dem Anspruch des Kindes auf freie Entfaltung gerecht werden können.

Was zur Entwicklung der Individualität der Kinder zu tun ist, kann nach Auffassung der Waldorfpädagogik nur aus der unmittelbaren Begegnung zwischen Lehrer und Schüler entstehen.

Erziehung ist Kunst - Individualität das Ziel

„Erziehung zur Freiheit“

Dem Streben nach eigener Lebensgestaltung und Urteilsbildung vom 14. Lebensjahr an entspricht der wissenschaftliche Charakter vieler Unterrichtsfächer vom 9. bis 12. Schuljahr. Die Waldorfschulen sehen hier die pädagogische Aufgabe nicht darin, eine voruniversitäre Ausbildung zu betreiben, sondern den Unterricht inhaltlich so zu vertiefen, dass er sich mit den Lebensproblemen des jungen Menschen verbinden kann und Antworten auf seine Lebensfragen gibt.

Die Waldorfschulen haben mit der Auslese auch das übliche Zensurensystem abgeschafft. Die Zeugnisse bestehen aus möglichst detaillierten Charakterisierungen, die die Leistung, den Leistungsfortschritt, die Begabungslage und das Bemühen in den einzelnen Fächern durchsichtig machen. Die Schüler schließen die Schule mit der Mittleren Reife oder dem Abitur (nach dem 13. Schuljahr) gemäß den in den Bundesländern jeweils geltenden Regeln ab.

Der Lehrplan der Waldorfschule ist auf die Weite, der in den Kindern liegenden seelischen und geistigen Veranlagungen und Begabungen ausgerichtet. Deshalb tritt vom 1. Schuljahr an neben die mehr sachbezogenen Unterrichtsgebiete ein vielseitiger künstlerischer Unterricht. Durch diesen werden die für den einzelnen Menschen wie für die Gesellschaft wichtigen schöpferischen Fähigkeiten und Erlebniskräfte gefördert.

Waldorfpädagogik will die kreativen Kräfte der Schüler von Grund auf entfalten. Anstatt mit vorwiegend vorgegebenen Formen zu arbeiten, die ggf. Lücken zum Ausfüllen bieten, ersetzen selbstgestaltete Epochenhefte weitgehend die Lehrbücher.

Epochenunterricht

Der Epochenunterricht ist ein wichtiges Mittel, um den Unterricht ökonomisch zu gestalten. Er wird in den Fächern durchgeführt, in denen Sachgebiete in sich geschlossen behandelt werden können (Deutsch, Geschichte, Mathematik, Naturwissenschaften usw.). Gebiete, die laufender Übung bedürfen (künstlerischer Unterricht, Englisch, Französisch (Fremdsprachen vom 1. Schuljahr an), werden in Fachstunden erteilt, wobei auch hier in den letzten Jahren immer wieder Versuche zum epochalen Unterricht gesammelt werden.

Bildhafter Unterricht in der Unterstufe

Das Lernen im Grundschulalter ist noch nicht gedanklich abstrakt, sondern bildhaft konkret. Durch ein nachahmendes Einleben in die Bewegungsformen des Schreibens werden auch Gefühl und Willen angesprochen und die Buchstaben aus künstlerisch gestalteten Bildern herausgearbeitet. So werden das bildhafte Erleben und der Bewegungsdrang des Kindes aufgegriffen und zum Verständnis des jeweiligen Unterrichtsgegenstandes hingeführt. Unter dem Motto "Lernen durch Tun" wird so das Schreiben vor dem Lesen gelernt. Bilder, die die Schüler innerlich bewegen können, ermöglichen es, auch gefühlsmäßig in die mannigfaltigen Erscheinungen der Welt einzutauchen und sie allmählich von innen begrifflich zu konstituieren.

In der Mittel- und Oberstufe tragen handwerklicher Unterricht und Betriebs- und Sozialpraktika zur lebenspraktischen Orientierung bei.

Erlangen der Urteilsfähigkeit in der Oberstufe

Dem Streben nach eigener Lebensgestaltung und Urteilsbildung vom 14. Lebensjahr an entspricht der wissenschaftliche Charakter vieler Unterrichtsfächer vom 9. bis 12. Schuljahr. Die Waldorfschulen sehen hier die pädagogische Aufgabe nicht darin, eine voruniversitäre Ausbildung zu betreiben, sondern den Unterricht inhaltlich so zu vertiefen, dass er sich mit den Lebensproblemen des jungen Menschen verbinden kann und Antworten auf seine Lebensfragen gibt.

Quelle: Bund der Freien Waldorfschulen, Stuttgart


Die anthroposophische Heilpädagogik

...versteht sich in erster Linie als eine Methodik des Erkennens und des pädagogisch-therapeutischen Handelns.

Kinder lernen immer aus der Beziehung zu anderen Menschen: ihren Eltern, Lehrern, ihren Geschwistern und Mitschülern. Je jünger ein Kind ist, um so mehr antwortet es darauf, wenn alle Angebote und Maßnahmen aus einer tragfähigen Beziehung heraus gestaltet werden.

Kinder mit Behinderungen erfahren grundsätzlich die gleichen Inhalte wie alle anderen Kinder auch. Diese müssen jedoch ihrer individuellen Entwicklung gemäß bearbeitet werden und in ihrer therapeutischen Dimension erschlossen werden. Jedes Kind muss im Grunde im Unterricht seinen eigenen Anknüpfungspunkt finden können, von dem aus es seinen Bildungsweg gehen kann - das gilt natürlich für alle Kinder. Bewegung, Sprache, Bilder und Gedächtnisübung helfen ihm, den Zugang zum eigenen Leib, zur Welt und zu anderen Menschen zu erschließen. Ein wichtiges Ziel des Unterrichts besteht darin, dass das Kind sich reaktiv in Bezug auf die unterschiedlichen Ereignisse und Anforderungen des Lebens erleben lernt.

Heilpädagogische Arbeit ist immer in einen sozialen Organismus eingebunden – in Familie, Kindergarten, Schule, Lebensgemeinschaft. Sie beginnt im Umkreis des Kindes, indem diese unmittelbar und täglich erfahrbare Umwelt so gestaltet wird, dass sie eine schützende Hülle um das Kind bildet: mit zuverlässigen Bezugspersonen, die Kontinuität vermitteln, sowie mit einem gut gegliederten Tages- und Wochenablauf, der das Kind innerlich und äußerlich trägt und stabilisiert.