Feldmessen in der Oberstufe

In der 10 Klasse der Waldorfschule tritt neben die Mathematik und den Naturwissenschaftlichen Unterricht das Feldmessen.

Unter Feldmessen versteht man die kleinräumige Vermessung einer Landschaft mit anschließendem Zeichnen einer Karte in großem Maßstab (1:1000).

Für diese Projektarbeit arbeiten unsere Schüler und Schülerinnen der 10. Klasse fünf Tage im weitläufigen Schulgelände und fahren eine Woche lang in ein Schullandheim.

Hier werden sie in die Vermessungskunde eingeführt sowie in die Darstellung einfacher Landschaftssituationen. Durch eine enge Verbindung dieser Epoche mit der Mathematik - namentlich der Trigonometrie — kann in der praktischen Anwendung eine nur selten erreichbare Vertiefung mathematischer Methoden erfolgen. Sie kann das Erlebnis vermitteln, mit dem, was erlernt wurde, sich in der Welt auf ganz konkrete, die gegebenen Tatsachen berücksichtigende und durch sie korrigierende Weise, zu orientieren. Es kommt zu einer im Äußeren sich vollziehenden Standortbestimmung. 

Noch wichtiger sind jedoch die sozialen Prozesse, die durchlebt werden, indem der Schüler erfährt, dass jeder Einzelne zum Gelingen beitragen muss: es gibt weder eine  "unwichtige" Messung noch eine, die jemand anders erledigen kann. Und mehr noch: nicht der Lehrer korrigiert, sondern die Sache selbst!

Die erreichbare Genauigkeit der dabei angewandten Messverfahren hängt einerseits weitgehend von Willen, der Geschicklichkeit, von Geduld und Ausdauer ab; andererseits setzt die Qualität des Messgeräts diesem Streben physikalische Grenzen.

Die Aufgabe besteht darin, das im Gelände abgesteckte Gebiet hinsichtlich seiner Maßverhältnisse (Strecken) und seiner Lage (Winkel) aufzunehmen und dabei die wichtigsten Gegebenheiten (Wege, Wasserläufe, Gebäude u. a.) maßstabsgerecht wiederzugeben. Zur Lösung dieser Aufgabe werden folgende Messverfahren angewandt.

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Beim Längen- und Winkelmessen muss mit großer Exaktheit vorgegangen werden (auf 100m Strecke ein Fehler von 3-4 cm, Winkelfehler im Bereich einzelner Minuten).
 
  • Beim Einmessen der Landschaftseinzelheiten (dem Koordinieren) muss sinnvoll vorgegangen werden (einen Waldrand auf cm genau zu vermessen ist Unsinn).
 
  • Das Höhenmessen verlangt ebenfalls hohe Präzision (im Millimeterbereich) und denkerisches Durchdringen des Messvorganges. 
 
  • Das Erstellen der Karte erfordert gestalterische, wie zeichnerische Fähigkeiten.

Etwa vier Schüler bilden eine Gruppe, der Teilgebiete zugewiesen werden. Für ihr Teilgebiet ist jede Gruppe selbst verantwortlich. Die Aufgabenstellungen beinhalteten:


a) die Anbindung des eigenen Bereichs an Nachbarbereiche und das Messen aller notwendigen Längen und Winkel;


b) das Vermessen wichtiger Geländesituationen;


c) Berechnung der Koordinaten der einzelnen Messpunkte;


d) das Zeichnen einer maßstabgetreuen Karte, die alle gemessenen Einzelheiten enthält auf der Basis der gerechneten Werte.

 

Da wir eine Integrative Waldorfschule sind, unterliegt die Einbeziehung der Schüler mit Handicap in die Gruppen, einer besonderen Verantwortung und Betreuung.

Die Zielsetzung der Integration bzw. Inklusion ist auch in der Oberstufe:

allen Schülerinnen und Schülern im gemeinsamen Unterricht ein Lernangebot zu bereiten, das mittels innerer Differenzierung, ausgerichtet an den unterschiedlichen Entwicklungsniveaus der Kinder und über alle Schulstufen hinweg, zieldifferentes und kooperatives Lernen aller miteinander möglich macht.

Sozialgestalt der Klasse

Ganz abhängig von der sozialen Befindlichkeit einer Klasse kann/sollte neben dem Vermessungsauftrag ganz zentral ein sozialer Gesichtspunkt im Mittelpunkt stehen. Ein Arbeiten an der Sozialgestalt der Klasse, Gemeinschaftsbildung und intensives gemeinsames Lernen und Üben kann manchmal wichtiger sein als reines Erlernen von Messpraktiken.

Auch ist ein hohes Maß an Objektivität äquivalent zu einem hohen Maß an Arbeit, Fleiß, Geduld, Sauberkeit und Ordnung. Diese Begriffe werden nicht theoretisiert, sondern oft schmerzlich am eigenen Tun erfahren.

Die Schüler erleben, wie schwer es ist gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen.

Sie sind zehn Tage lang 24 Stunden als Team gefordert und müssen eventuell (wenn die Herberge nur Selbstversorgung anbietet) ihre Verpflegung organisieren.

Das heißt, dieses Vermessungspraktikum ist ein umfassender pädagogischer und sozialer Prozess.